Ist es eine gute Idee das Kraftwerk abzuschalten?
Ja, denn Stand heute produziert es ca. 2,5 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht allen deutschen Inlandsflügen. So brechen wir mit dem Pariser Klimaabkommen und akzeptieren es, zukünftigen Generationen einen lebensfeindlichen Planeten zu hinterlassen.
Aber ist das Kraftwerk nicht systemrelevant?
Nein, denn auch wenn das Kraftwerk still steht, gehen bei uns im Norden nicht die Lichter aus. Grund hierfür ist der starke Zubau Erneuerbarer in den vergangenen Jahren. So haben wir tendenziell im Norden eine Überproduktion an Energie, die per (zum Teil noch im Bau befindlichen) Stromtrassen in den stärker industrialisierten Süden gebracht werden muss. Daher ist es gerade zu abstrus, im Norden ein weiteres Kohlekraftwerk laufen zu lassen, was in das Bundesnetz von hier aus einspeist.
Doch was ist, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne nicht scheint?
Die Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien ist tatsächlich ein Problem. Um diese Schwankungen auszugleichen wird momentan das europäische Stromnetz besser verbunden sowie Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher und - wie in Rostock Laage - Wasserstoffspeicher in Betrieb genommen.
Macht das Geld aus dem Fernwärmevertrag mit der Stadt denn ein Unterschied?
Ja, denn mit ca. 7 Mio. € pro Jahr (2018) sind die Stadtwerke für ca. 10% des Umsatzes des Steinkohlekraftwerks verantwortlich! Zusätzlich machen 79% der Kohlekraftwerke in der EU Verluste, was zurzeit primär auf den gestiegenen CO2 Preis zurückzuführen ist. So weist die GuV der RHEINENERGIE HKW ROSTOCK GMBH 2018 vor Abschreibungen einen Verlust von ~1,5 Mio. € aus!
Aber ist die Abwärmenutzung des Kraftwerks nicht viel günstiger als die Eigenproduktion der Stadtwerke? Schließlich müssen am Ende die Verbraucher die Mehrkosten zahlen!
Die Verbrennung von fossilen Energieträgern ist immer auch mit externen Kosten verbunden. Billig heißt hier auf Kosten zukünftiger Generationen. Außerdem hat der Fernwärmeliefervertrag eine CO2-Preis-Komponente. Der CO2-Preis ist von 5 € je Tonne auf im Schnitt 24 € im Jahr 2019 gestiegen. Die Eigenproduktion von Wärme der Stadtwerke ist aus diesem Grund aktuell mit ähnlichen Kosten verbunden.
Finanzieren wir mit dem Gewinn der SWRAG nicht auch die RSAG?
Ja, aber der Bezug der Fernwärme macht keine 3 % der Kosten der SWRAG aus, ein Zusammenhang Gewinn - Fernwärme besteht nicht.
Ist das Kraftwerk in Rostock nicht sehr modern?
Fossile Energieerzeugung kann man niemals als modern bezeichnen! Nach 1994 wurden noch 13 Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von ~ 7 GW ans Netz gebracht, 2,3 GW davon im Süden. 1 GW kommt durch Datteln IV noch dazu. Daher ist die klare Antwort: Nein. Weniger schlecht bleibt trotzdem schlecht. Die Klimakrise macht einen schnellen Kohleausstieg notwendig!
Aber laufen nach Ende des Fernwärmeliefervertrags nicht Kohle und Gaskraftwerk gleichzeitig? Schließlich muss dann die SWRAG für die fehlende Fernwärme einspringen, während das Kohlekraftwerk die Überschüssige Hitze ungenutzt abgibt!
Der springende Punkt ist die Rentabilität. Wenn das Kohlekraftwerk früher schließt - und das wird es bei der finanziellen Situation müssen - werden wir schon nach einem Jahr durch das effizientere Gaskraftwerk der SWRAG unterm Strich Treibhausgase eingespart haben. Hinzu kommt das neue Power-to-Heat-System der Stadtwerke, welches aus überschüssigem Windstrom Wärme erzeugt. Und das komplett CO2 neutral.
Währenddessen plant der Betreiber des Kohlekraftwerks eine Nutzung bis 2038.
Aber was ist mit den Arbeitsplätzen?
Im Steinkohlekraftwerk sind aktuell 115 Menschen beschäftigt. Währenddessen arbeiten in MV gut 15.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energie. Daher halten wir es für entscheidend, durch Umschulungen zukunftsfähige Jobs zu bieten, anstatt eine tote Industrie durch Mittel der Stadt künstlich am Leben zu erhalten.
Ist der Kohleausstieg nicht schon längst von der Bundesregierung beschlossen? Warum besteht denn jetzt noch Handlungsbedarf?
Die Erdüberhitzung macht einen Kohleausstieg bis 2030, nicht erst 2038, notwendig. Des Weiteren sind die Abschalttermine für die Kraftwerke nicht fest, sie werden zunächst über Auktionen bestimmt. Über die Teilnahme entscheiden die wirtschaftlichen Erwartungen der Betreiber! Die Entschädigungen fürs Stilllegen sinken bis 2027 auf null. Für das Umrüsten auf Alternativen bleiben sie konstant hoch.